Welche psychischen Herausforderungen bringt ein unerfüllter Kinderwunsch mit sich und was kann man tun?
Ein unerfüllter Kinderwunsch stellt für viele Paare eine der größten emotionalen Belastungen im Leben dar. Der Traum von der eigenen Familie, die Vorstellung von gemeinsamen Momenten mit einem Kind, kann in vielen Fällen zur quälenden Sehnsucht werden, wenn der Weg dorthin nicht gelingt. Hinzu kommt, dass der Umgang mit den eigenen Gefühlen und den Erwartungen des Umfelds nicht immer einfach ist. Wenn Paare sich für eine Kinderwunschbehandlung entscheiden bringt das zusätzliche Belastungen mit sich- die psychischen Auswirkungen dieses Prozesses sind weitreichend und nicht zu unterschätzen.
Wann spricht man eigentlich von ungewollter Kinderlosigkeit?
Wenn trotz Kinderwunsch nach mindestens einem Jahr regelmäßigem und ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eintritt, wird von Unfruchtbarkeit oder Sterilität gesprochen. Wenn eine Frau bereits ein Kind auf die Welt gebracht hat, aber eine erneute Schwangerschaft trotz ungeschütztem Geschlechtsverkehr mindestens ein Jahr auf sich warten lässt, dann spricht man von sekundärer Sterilität.
Auch wenn Paare, die sehnlichst auf ein Kind warten, sich häufig alleine fühlen, so zeigt die Statistik ein anderes Bild: Weltweit ist ungefähr jedes sechste Paar von Unfruchtbarkeit betroffen.






Welche Gefühle treten in Zusammenhang mit unerfülltem Kinderwunsch auf?
Die Kinderwunschzeit ist für viele Paare mit intensiven Gefühlen verbunden.
Die meisten Personen starten relativ unbelastet, hoffnungsvoll und mit Vorfreude in die Kinderwunschzeit. Sie gehen davon aus, dass sich ihr Wunsch nach einem Kind relativ schnell erfüllen wird. Schwanger werden wird oft als „natürlichste Sache der Welt“ betrachtet – warum sollte es also nicht klappen?
Stellt sich die ersehnte Schwangerschaft dann jedoch nicht ein, kommt Monat für Monat die Periode und werden die ersten negativen Schwangerschaftstests in den Händen gehalten, dann kann das schnell zu großer Verunsicherung führen und eine emotional sehr schwierige Zeit beginnt.
Viele Paare suchen sich medizinische Hilfe und hoffen darauf eine Ursache für ihre Infertilität zu finden, um diese schnell beheben zu können. Nicht immer wird jedoch ein erkennbarer Grund für die ausbleibende Schwangerschaft gefunden, man spricht in diesem Fall von einer idiopathischen Sterilität. Einerseits empfinden Paare Erleichterung, wenn keine physischen Ursachen gefunden werden können, andererseits wirft das natürlich neue Fragen auf:
- Wenn keine körperlichen Gründe vorliegen, könnte vielleicht eine psychische Ursache dahinterstecken?
- Ist an dem Satz „Entspannt euch mal, dann klappt es bestimmt“ doch etwas dran?
- Bin ich schuld, mache ich vielleicht etwas falsch, oder woran könnte es sonst liegen, dass ich nicht schwanger werde?
Häufig treten in dieser Zeit starke Gefühle auf, wie z.B.:

Welche Auswirkungen kann eine Kinderwunschbehandlung haben?
Nach Monaten der Hoffnung und des Wartens ist der Leidensdruck bei den Paaren oft schon sehr groß und viele Paare ziehen eine Kinderwunschbehandlung in Erwägung.
Wenn Paare schließlich den Entschluss fassen, ein Kinderwunschzentrum aufzusuchen bzw. eine Kinderwunschbehandlung durchzuführen, ist dies häufig mit hohen Erwartungen verbunden. Aufgrund der fortschrittlichen medizinischen Möglichkeiten wird oft erwartet, dass die Behandlung erfolgreich sein wird. In der Realität jedoch werden die Erfolgswahrscheinlichkeiten einer Kinderwunschbehandlung häufig überschätzt, während die damit verbundenen psychischen Belastungen oft unterschätzt werden.
Nur wer sich tatsächlich auf eine Kinderwunschbehandlung einlässt, erkennt die tiefgreifenden Belastungen, die sie mit sich bringen kann, wie beispielsweise:
- organisatorische Herausforderungen
- Integration vieler Arzttermine in den Arbeitsalltag
- tägliche Medikamenteneinnahme und Verabreichung von Spritzen zu exakten Uhrzeiten
- Das ganze Leben muss auf den Behandlungsprozess abgestimmt werden
- körperliche Herausforderungen
- unzählige, nicht immer angenehme, körperliche Untersuchungen und Eingriffe
- Nebenwirkungen durch Hormonbehandlungen
- finanzielle Herausforderungen
- Auch wenn es in vielen Fällen finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten gibt, sind die Techniken der assistierten Reproduktion sehr kostspielig
- emotionale Herausforderungen
- Unsicherheit, ob die Behandlung erfolgreich sein wird
- wiederholtes Gefühlschaos zwischen Hoffnung und Enttäuschung
- Verheimlichung vor dem Umfeld und Gefühl der Isolation
Im Zuge von Kinderwunschbehandlungen werden immer wieder Mikrotraumen durchlebt. Die Hoffnung auf den Erfolg einer Behandlung wird durch einen negativen Schwangerschaftstest wieder zerstört. Paare fühlen sich zudem isoliert, als ob sie in ihrer Erfahrung allein sind, besonders wenn ihre Freunde oder Familie das Thema Kinderwunsch als weniger wichtig oder weniger problematisch ansehen. Es entsteht ein Gefühl des Alleinseins und der inneren Leere, was zu Angstzuständen und Depressionen führen kann.
Generell kann gesagt werden, dass bei länger andauernder Fertilitätsproblematik, sowie nach mehreren erfolglosen Behandlungsversuchen, Fehlgeburten oder dem Gefühl unzureichender Unterstützung (beispielsweise durch den Partner/die Partnerin), das Risiko für erhebliche psychische Belastungen und die Entwicklung psychischer Störungen steigt.
Was kann mir in dieser schwierigen Zeit helfen?
Nachdem das Thema Kinderwunsch noch immer ein Tabuthema ist und kaum darüber gesprochen wird, fühlen sich Paare oft alleine gelassen und unverstanden. Helfen kann beispielsweise:
- emotionale Unterstützung suchen: Sowohl der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa in Selbsthilfegruppen, als auch das Gespräch mit vertrauten Menschen wie Freunden oder Familie kann Entlastung bringen und Trost spenden.
- Selbstfürsorge und Entspannung: Achten Sie auf Ihr emotionales und körperliches Wohlbefinden. Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Dinge, die Ihnen gut tun (z.B. Yoga, ausgedehnte Spaziergänge, Sport betreiben, einem Hobby nachgehen, der Besuch eines Kabaretts…). Das kann helfen, den Stress zu reduzieren und das innere Gleichgewicht zu fördern.
- realistische Erwartungen und Geduld: Der Weg zum Wunschkind kann lang und ungewiss sein. Es ist hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Verlauf nicht immer linear ist. Geduld mit sich selbst und dem Prozess kann ein Stück der inneren Last nehmen.
- Informationen sammeln und Entscheidungen treffen: Sich über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren und die eigenen Optionen zu durchdenken, kann dabei helfen, das Gefühl der Kontrolle zurückzugewinnen und mehr Klarheit über den weiteren Weg zu erlangen.
- Akzeptanz und Perspektivwechsel: Manchmal kann es hilfreich sein, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass der Weg möglicherweise anders verläuft als ursprünglich gewünscht. Eine offene Haltung zu alternativen Wegen („Plan B“), wie z.B. Adoption oder Pflegekinder, oder auch ein Leben ohne Kind kann eine neue Perspektive eröffnen.
- Paartherapie: Eine Paartherapie kann eine wertvolle Unterstützung sein, wenn Paare mit emotionalen Belastungen umgehen müssen. Sie kann helfen die Kommunikation zwischen den Partnern zu verbessern und gegenseitiges Verständnis füreinander zu entwickeln. Auch die gemeinsame Entscheidungsfindung, das Lösen von Konflikten, das Entwickeln von Bewältigungsstrategien und das Finden gemeinsamer Perspektiven können zentrale Themen sein.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Psychologische Beratung oder eine Therapie kann helfen, mit den emotionalen Herausforderungen umzugehen. Spezialisierte BeraterInnen oder TherapeutInnen, die sich mit Fruchtbarkeitsproblemen auskennen, bieten wertvolle Unterstützung.
Kann psychologische Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch helfen?
Auf jeden Fall – Niemand sollte diesen emotional herausfordernden Weg allein gehen müssen.
Beratungsgespräche können sowohl vor, während, als auch nach einer Kinderwunschbehandlung sinnvoll sein. Auch bei speziellen Themen wie z.B. „Gametenspende“, d.h. bei einer Spende von Samen oder Eizellen, kann eine psychologische Beratung sehr hilfreich sein.
Die Inhalte der Beratung sind vielfältig und reichen von der realistischen Zielplanung, über Entscheidungshilfen bezüglich des weiteren Vorgehens/einzelner medizinischer Behandlungsschritte bis hin zu Entwicklung alternativer Lebensperspektiven/ Abschied vom Kinderwunsch.

Auch wenn ärztliche Empfehlungen in der Regel dazu raten, nach einem Jahr ohne eingetretene Schwangerschaft Unterstützung zu suchen, kann es für viele Paare bereits vorher sinnvoll sein, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Entscheidend ist der individuelle Leidensdruck: Wenn die Belastung stark spürbar ist, ist es ratsam, frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen. Dadurch können emotionale Herausforderungen besser bewältigt werden, die Kinderwunschzeit mit mehr Gelassenheit erlebt werden und das Auftreten psychischer Probleme, wie z.B. Depressionen verhindert werden.
Lesen Sie hier, welchen Nutzen eine psychologische Beratung für Sie haben kann und scheuen Sie sich nicht davor mich zu kontaktieren – Ich bin gerne für Sie da

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